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Religion und Kirchen
05.12.2013, 20:54 | |
Religion und Kirchen Religion und Denken gehoren zusammen, denn sie haben denselben Inhalt. Wie die Religion, so will auch das wahre Denken die Bestimmung des Menschen in seinem Verhaltnis zum gesamten Sein und dessen geheimnisvoller letzter Einheit begreifen. Albert Schweizer, 1875-1965 Theologe, Arzt und Philosoph »Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiosen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. Die ungestorte Religionsausubung wird gewahrleistet.« Diese Bestimmung des Grundgesetzes (Artikel 4) empfindet jeder Burger der Bundesrepublik Deutschland als selbstverstandliches Grundrecht. 1.Die Verteilung der Konfessionen. Etwa 85% der Bevolkerung bekennen sich zu einer der beiden christlichen Konfessionen, und zwar ziemlich genau je die Halfte zur romisch-katholischen und zur evangelischen Konfession; eine kleine Minderheit gehort anderen christlichen Gemeinschaften an. Der evangelische Volksteil uberwiegt im Norden, der katholische im Suden der Bundesrepublik. Rheinland-Pfalz, das Saarland und Bayern sind mehrheitlich katholisch, in Baden-Wurttemberg und Nordrhein-Westfalen sind beide Konfessionen etwa gleich stark, in den ubrigen Bundeslandern uberwiegen die Evangelischen. 2.Historischer Hintergrund. Die heutige Verteilung der christlichen Konfessionen stammt aus dem Zeitalter der Reformation, und dort liegen auch die Wurzeln des besonderen deutschen Verhaltnisses zwischen Staat und Kirche. Nach jahrzehntelangen Kampfen wurde im Augsburger Religionsfrieden (1555) der Grundsatz »cuius regio, eius religio« (wessen Gebiet, dessen Religion) festgelegt: Der Landesherr erhielt das Recht, die Konfession seiner Untertanen zu bestimmen. Der Westfalische Friede (1648) schrankte dieses Recht ein; fortan durften die Untertanen bei ihrem alten Glauben bleiben, wenn der Landesherr die Konfession wechselte, wie z.B. der Kurfurst von Sachsen 1697. Die enge Bindung zwischen Staat und Kirche - die u. a. darin zum Ausdruck kam, da? die evangelischen Fursten zugleich die obersten Bischofe ihrer Lander waren - wurde dadurch jedoch nicht aufgehoben. Sie begann sich erst im 19. Jahrhundert zu lockern. Die Weimarer Reichsverfassung von 1919 vollzog die Trennung von Staat und Kirche, ohne jedoch die historischen Bindungen restlos zu beseitigen. Die damit geschaffene Rechtslage besteht im wesentlichen noch heute, denn das Grundgesetz hat die betreffenden Bestimmungen der Weimarer Verfassung im Wortlaut ubernommen. 3.Kirche und Staat. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es keine Staatskirche. Der Staat steht den Religionen und Weltanschauungen neutral gegenuber. Die Kirchen sind jedoch keine privaten Vereinigungen, sondern offentlich-rechtliche Korperschaften besonderer Art, die in einem partnerschaftlichen Verhaltnis zum Staat stehen. Das Verhaltnis der Kirchen zum Staat ist au?er durch die Verfassung durch Konkordate und Vertrage geregelt. Zur Wahrnehmung ihrer Interessen gegenuber Bundesregierung und Parlament unterhalten sie Bevollmachtigte in Bonn. Die Vermogensrechte der Kirchen sind garantiert. Sie haben Anspruch auf finanzielle Leistungen des Staates; dieser zahlt z. B. Zuschusse zur Besoldung der Geistlichen und ubernimmt ganz oder teilweise die Kosten fur bestimmte kirchliche Einrichtungen, z.B. Kindergarten, Krankenhauser und Schulen. Die Kirchen haben das Recht, von ihren Mitgliedern Steuern zu erheben, die in der Regel von staatlichen Behorden gegen Erstattung der Erhebungskosten eingezogen werden. Der Austritt aus einer Kirche erfolgt durch Erklarung vor einer staatlichen Behorde. Der geistliche Nachwuchs erhalt seine Ausbildung gro?tenteils an den staatlichen Universitaten; die Kirchen haben einen verbrieften Einflu? auf die Besetzung der theologischen Lehrstuhle. Diese weitgehenden Rechte der Religionsgemeinschaften und die nach wie vor engen Bindungen an den Staat sind nicht unumstritten. Trotz gelegentlicher Kritik bedeutet jedoch schon allein die Tatigkeit der Kirchen bei der Unterhaltung von Krankenhausern, Alten- und Pflegeheimen, Einrichtungen der Beratung und Betreuung, Schulen und Ausbildungsstatten ein kaum ersetzbares karitatives und soziales Engagement, das aus dem offentlichen Leben nicht mehr wegzudenken ist. 4.Die evangelische Kirche. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ist ein Bund von 17 weitgehend selbstandigen lutherischen, reformierten und unierten Landeskirchen. Die Grenzen der Kirchengebiete uberschneiden sich zum Teil mit denen der Bundeslander. Oberstes Gesetzgebungsorgan ist die Synode, oberstes Leitungsorgan der Rat der EKD. Am Sitz der Bundesregierung ist die EKD durch einen Bevollmachtigten vertreten. Von den 17 Landeskirchen sind 7 lutherisch: Bayern, Braunschweig, Hannover, die Nordeibische Kirche, Oldenburg, Schaumburg-Lippe, Wurttemberg; 2 reformiert: Lippe, Nordwestdeutschland; 8 uniert: Baden, Berlin (West), Bremen, Hessen und Nassau, Kurhessen-Waldeck, Pfalz, Rheinland, Westfalen. Als »reformiert« bezeichnet man eine Kirche, die auf das Bekenntnis Calvins zuruckgeht, als »uniert« eine Kirche, die auf einem Zusammenschlu? von Reformierten und Lutheranern beruht. Die lutherischen Landeskirchen mit Ausnahme von Oldenburg und Wurttemberg sind in der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) zusammengefa?t. Zur Evangelischen Kirche der Union (EKU) gehoren die unierten Kirchen in Berlin (West), Rheinland und Westfalen. Die »Arnoldshainer Konferenz« ist eine Arbeitsgemeinschaft der unierten Landeskirchen, der beiden reformierten Landeskirchen und der lutherischen Kirche in Oldenburg. Die EKD pflegt enge Kontakte mit dem Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR. Im Bewu?tsein ihrer gemeinsamen Verantwortung richten beide Kirchen in Lebensfragen gemeinsame Worte an die Offentlichkeit in beiden deutschen Staaten. Die evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik gehoren dem Okumenischen Rat der Kirchen (Weltkirchenrat) an. Mit der romisch-katholischen Kirche besteht eine enge Zusammenarbeit. Die okumenische Bewegung, an der die EKD starken Anteil nimmt, wachst immer mehr uber das Institutionelle hinaus und wird zur Sache der einzelnen Christen. In vielen evangelischen und katholischen Gemeinden haben sich okumenische Arbeitskreise gebildet. Die Landeskirchen der EKD beteiligen sich - ihrer konfessionellen Pragung entsprechend - auch an der Arbeit des Lutherischen Weltbundes oder des Reformierten Weltbundes. 5.Die katholische Kirche. In der Bundesrepublik Deutschland einschlie?lich Berlin (West) bestehen funf Kirchenprovinzen der romisch-katholischen Kirche. Sie umfassen 22 Bistumer, davon 5 Erzbistumer: -das Erzbistum Koln mit den Bistumern Aachen, Essen, Limburg, Munster, Osnabruck, Trier; -das Erzbistum Paderborn mit den Bistumern Fulda und Hildesheim; -das Erzbistum Munchen-Freising mit den Bistumern Augsburg, Passau und Regensburg; -das Erzbistum Bamberg mit den Bistumern Eichstatt, Speyer und Wurzburg; -das Erzbistum Freiburg mit den Bistumern Mainz und Rottenburg-Stuttgart. Berlin (West) ist Teil des Bistums Berlin. Diese Einteilung der Diozesen stammt im wesentlichen aus dem 19. Jahrhundert; einige Bistumer wurden erst im 20. Jahrhundert errichtet. Die Erzbischofe und Bischofe der Bundesrepublik beraten gemeinsame Fragen in der Deutschen Bischofskonferenz mit Sekretariat in Bonn. Die Impulse, die das II. Vatikanische Konzil fur die Mitwirkung der katholischen Laien in der Kirche und an den Aufgaben der Kirche gegeben hat, werden von gewahlten Vertretungen der Laien in die Tat umgesetzt. Die Besuche von Papst Johannes Paul II. 1980 und 1987 in der Bundesrepublik haben der okumenischen Bewegung und dem Dialog zwischen Kirche und Staat starke Ansto?e gegeben. 6.Kleinere Religionsgemeinschaften . Zu den kleineren Religionsgemeinschaften gehoren insbesondere die sogenannten Freikirchen, d.h. Kirchen, fur die ihr Charakter als »Freiwilligkeitskirche« im Gegensatz zur Volkskirche bestimmend ist. Die Mitgliedschaft grundet sich auf eigene Entscheidung, nicht auf die Kindertaufe. Zwei der gro?ten evangelischen Freikirchen, die Methodisten und die Evangelische Gemeinschaft, haben sich im Jahre 1968 zur Evangelisch-methodistischen Kirche zusammengeschlossen. Daneben gibt es den Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (Baptisten). Die altkatholische Kirche entstand als Abspaltung von der romisch-katholischen Kirche in den 1870er Jahren nach dem l. Vatikanischen Konzil. Die Mennonitengemeinden, die Religiose Gesellschaft der Freunde (Quaker) und die Heilsarmee besitzen durch ihre soziale Aktivitat ein nicht unbetrachtliches Gewicht. Im Deutschen Reich wohnten 1933 etwa 530000 Juden. Heute, nach der nationalsozialistischen Verfolgungs- und Ausrottungspolitik, gibt es 65 judische Gemeinden mit 28000 Mitgliedern, deren gro?te die in Berlin (West) mit 6000 und Frankfurt a. M. mit knapp 5000 Mitgliedern sind. In der Bundesrepublik leben daruber hinaus etwa 15000 Juden, die nicht Mitglieder der judischen Gemeinden sind. Die Dachorganisation der judischen Gemeinden ist der Zentralrat der Juden in Deutschland. 1979 wurde in Heidelberg eine Hochschule fur judische Studien gegrundet, die inzwischen internationale Anerkennung gefunden hat. Durch die Anwesenheit der zahlreichen auslandischen Arbeiter und ihrer Angehorigen haben Religionsgemeinschaften, die fruher in Deutschland kaum vertreten waren, stark an Bedeutung gewonnen. Das gilt fur die griechisch-orthodoxe Kirche und besonders fur den Islam. Heute leben in der Bundesrepublik mehr als 1,8 Millionen Moslems, zumeist Turken. 7.Gemeinsames Handeln. In den Jahren 1933-1945 haben viele evangelische und katholische Christen tapfer gegen die Hitler-Diktatur gekampft. Stellvertretend seien hier Pastor Martin Niemoller und Bischof Clemens August Graf von Galen genannt. Die Zusammenarbeit in diesem Kampf hat das Verstandnis fureinander gestarkt und die gemeinsame politische Verantwortung deutlich gemacht. Aufgrund dieser Erfahrungen wird heute von den Kirchen in hohem Ma? offentliche Verantwortung wahrgenommen, auch durch Denkschriften und andere Formen publizistischer Tatigkeit. Auf vielfaltige Weise wenden sich die Konfessionen an die Offentlichkeit. Besonders zu nennen sind hier die beiden Laienbewe-gungen, der Deutsche Katholikentag (seit 1848) und der Deutsche Evangelische Kirchentag (neu seit 1949). Die karitative Arbeit der Kirchen leistet auf katholischer Seite der Deutsche Caritasverband, auf evangelischer das Diakonische Werk. Seit dem Wiederaufbau im Inneren haben sich beide Kirchen in der Entwicklungshilfe stark engagiert. Es entstanden gro?e kirchliche Hilfswerke, die aus freiwilligen Spenden der Glaubigen finanziert werden. So sammelten die evangelische Aktion »Brot fur die Welt« und das katholische Werk »Misereor« Milliardenbetrage fur die Linderung akuter Notfalle und die Verbesserung der Lebensverhaltnisse, vor allem fur die Forderung langfristiger Entwicklungsma?nahmen und die Hilfe zur Selbsthilfe. In jungster Zeit haben sich die christlichen Kirchen - auch durch offizielle Stellungnahmen - in den Diskussionen uber Frieden und Abrustung, Auslander- und Asylpolitik, Arbeitsmarktpolitik und Umweltschutz zu Wort 8.Antisemitismus Als gro?te nichtchristliche Religionsgemeinschaft in Deutschland wurden die Juden zu einem Hauptangriffsziel nazisti-scher Politik. Barbarischer Antisemitismus wurde zur gewaltsam durchgesetzten Staatsdoktrin (politischer Grundsatz) und gipfelte in der massenweisen Vertreibung und Ausrottung von Juden. Die deutsche Bevolkerung bezog dagegen im gro?en und ganzen keine Opposition. Ab 1935 galten fur Juden in Deutschland folgende Verbote Verboten war den Juden u.a.: • Benutzung von Kraftwagen • Benutzung von Leihbuchereien • Benutzung offentlicher Badeanstalten • Benutzung offentlicher Fernsprecher • Benutzung von Fahrkartenautomaten • Benutzung von Parkbanken, die nicht gelb gestrichen waren • Benutzung von Stra?enbahnen, Omnibussen (nur mit Fahrerlaubnis) • Benutzung von Sitzplatzen in offentlichen Verkehrsmitteln • Ausubung von freien und vielen anderen Berufen • Beschaftigung nichtjudischer Hausangestellter • Bestellung von Sachverstandigen • Besuch von Gaststatten • Betreten bestimmter Stra?en in den Stadten • Betreten von Bahnhofen, Wartesalen • Betreten von Waldern • Bezug von Fleisch, Fisch und anderen Lebensmitteln • Einzelbeschaftigung von Arbeitern • Empfang von Gratifikationen und Ruhegehaltern • Empfang von Kontrollkarten fur Auslandsbriefverkehr • Fuhrung von Kunstlernamen • Halten von Brieftauben und Haustieren • Mitgliedschaft in Privatversicherungen • Tragen von Orden und Abzeichen aller Art • Verlassen der Wohngemeinde (au?er mit besonderen Genehmigungen) • Verlassen der Wohnungen (nachts) • Verfugung uber bewegliches Eigentum und sonstiges . Nach 1945 suchte die evangelische Kirche einen neuen Anfang. Es ging um das Ausma? der Erneuerung der Kirche. Ein besonders brisanter Punkt der innerhalb der Kirchen gefuhrten Auseinandersetzungen war die Frage nach der kirchlichen Mitschuld an der nationalsozialistischen Diktatur. Ein prominenter Vertreter der Bekennenden Kirche, Pastor Martin Niemoller (1892-1984), erklarte dazu im August 1945: Unsere heutige Situation ist aber auch nicht in erster Linie die Schuld unseres Volkes und der Nazis. Wie hatten sie den Weg gehen sollen, den sie nicht kannten? Sie hatten doch einfach geglaubt, auf dem rechten Weg zu sein! - Nein, die eigentliche Schuld liegt auf der Kirche; denn sie allein wu?te, da? der eingeschlagene Weg ins Verderben fuhrte, und sie hat unser Volk nicht gewarnt.« 9.Kirche in Deutschland nach 1945 -Aufbruch wohin? Die Teilung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg und die Entstehung von unterschiedlichen gesellschaftlichen Ordnungen in beiden deutschen Staaten beeinflu?ten auch diekirchliche Entwicklung. Zu drangenden Problemen, die sich zudem in der Bundesrepublik Deutschland wie der Deutschen Demokratischen Republik differenziert stellten, ergriffen Christen unterschiedliche Positionen. Drei gro?e Komplexe zeigten sich dabei immer wieder: • die Verantwortung der Kirchen fur die Entwicklungen unter der Naziherrschaft, besonders das Versagen in der Judenfrage, • die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands, • die atomare Kriegsgefahr und die Aufrustung Deutschlands. 10.Sakularisierung: werden es wirklich immer weniger? Umfragen zur Religion: Seit 1980 wurden mehrere Studien erarbeitet, die sich mit der gesellschaftlichen Bedeutung von Religion beschaftigen. In elf europaischen Landern und den USA wurde 1981/82 eine gro?e Umfrage durchgefuhrt. Sie hatte zum Ziel, die Werte zu ermitteln, die gesellschaftliche Bedeutung besitzen. In anderen Umfragen wurde dem Zusammenhang von religioser Uberzeugung und Einstellung zu gesellschaftlichen Problemen nachgegangen. Einige beachtenswerte Ergebnisse finden sich auf den folgenden Seiten. Im Fruhjahr 1987 veroffentlichte das Demoskopische Institut in Allensbach einen auf die BRD bezogenen Auswertungsbericht. Fur das Gebiet der ehemaligen DDR lagen solche detaillierten und aktuellen Untersuchungen bisher offentlich nicht vor. Als Ergebnisse wurden u. a. ermittelt: deutliche Uberalterung der Gottesdienstbesucher; Religiositat und Kirchlichkeit sind bei Frauen wie Mannern im Ruckgang; Frauen sind starker religios eingestellt und auch der Kirche naher als dies bei Mannern der Fall ist; die Jungeren sind weniger religios als die Alteren, die Berufstatigen weniger als die Nichtberufstatigen. Kirchliches Leben Von Bedeutung fur die Intensitat kirchlichen Lebens ist die Gro?e der Stadt. Der Anteil der Besucher von Gottesdiensten, derjenigen, die beten und derjenigen, die an ein Weiterleben nach dem Tode glauben, sinkt deutlich mit zunehmender Einwohnerzahl einer Stadt. Je gro?er die Einwohnerzahl, um so niedriger der Anteil der religios eingestellten bzw. kirchlich gebundenen Bevolkerung. Sakularisierung: Werden es wirklich immer weniger? Aussagen auf der Liste: (1) Es gibt einen leibhaftigen Gott. (2) Es gibt eine geistige Macht. (3) Ich wei? nicht richtig, was ich glauben soll. (4) Ich glaube nicht, da? es einen Gott oder irgendeine geistige Macht gibt. (Quelle: Internationale 'wertestudie 1981/82) Solche Zusammenhange lassen sich bis 1990 auch fur die Entwicklung hinsichtlich Religiositat und Kirchlichkeit auf dem Gebiet der ehemaligen DDR nachweisen. Bei aller Ubereinstimmung sind besonders zwei Unterschiede wichtig: die Sakularisierung ist im Osten Deutschlands erheblich gro?er .Au?er- dem ist hier der Protestantismus die eindeutig vorherrschende Konfession. Ende der 80er Jahre waren uber 85 Prozent aller Kirchenmitglieder protestantisch, zwolf Prozent katholisch und etwa ein Prozent gehorte zu einer der etwa 30 kleineren Religionsgemeinschaften. 1953 ohne Saarland und West-Berlin (Quelle: Allensbacher Archiv, lfD-Umfragen 225, 1287) 11.Andere Jugendinteressen: Zunehmend wichtiger wird es, das Interesse, insbesondere bei jungeren Menschen an Astrologie, Parapsychologie, Hellsehen u. a. wahrzunehmen. Es wird ein Zusammenhang vermutet zwischen rucklaufiger traditioneller Religiositat und der Hinwendung zu diesen Praktiken. Die Ergebnisse der Shell-Studie lassen erkennen, da? fur zunehmend mehr Jugendliche die Konfessionszugehorigkeit belanglos wird. Erkennbar wird eine erhebliche Distanz zur Kirche. Jeder zweite der 15- bis 24jahri-gen zeigte aber eine aktive Bereitschaft fur eine »religiose, transnaturale Dimension« seines Lebens. Auch wenn traditionelle Kirchen und konfessionelle Bindungen abnehmen, wird dennoch die Halfte der Jugendlichen von religiosen Fragen bewegt. Sie wahlen aber weder den Weg in die Kirchen, noch stromen sie in hellen Scharen zu den Jugendreligionen. Das Auflosen kirchlicher Bindungen und der Verzicht auf kirchliche Leistungen gehen einher mit abnehmender Anerkennung des uberlieferten christlichen Glaubens. Das bedeutet freilich nicht, da? nachlassender Besuch des Gottesdienstes generell mit dem Ruckgang christlichen Glaubens gleichgesetzt werden kann. Es sind tendenziell immer weniger, die vom christlichen Glauben Trost und Beistand in gesellschaftlichen wie individuellen Konflikten erhoffen. Immer mehr Menschen erwarten augenscheinlich vom christlichen Glauben immer weniger und schlie?lich gar nichts mehr. Weder fur die Bewaltigung der personlichen Probleme, Konflikte und Krisen, noch bei der Losung gesellschaftlicher Problem- und Handlungsfelder werden der betreffenden Religion Losungen oder Trostvermittlung zugetraut. 12.Politik und Religion: geht das gut? Christliche Parteien Politische Parteien und Burgerbewegungen unterhalten Beziehungen und Kontakte zu Kirchen und religiosen Einrichtungen. Sie sind bestrebt, dabei ihre politischen Auffassungen einzubringen. Und naturlich gehoren Christen - Katholiken und Protestanten - allen zur Zeit in Deutschland bestehenden Parteien an. Manche dieser Parteien verfugen uber besondere Ar-beits- bzw. Interessenkreise fur die Christen unter ihren Mitgliedern. Einige Parteien berufen sich in ihrem Programm bewu?t auf christliche Werte und christliche Ethik. Als solche christlichen Werte werden z. B. Nachstenliebe, Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schopfung und Solidaritat genannt. Eine solche Partei ist nicht die Partei einer Kirche und nicht die Partei der Christen im engeren Sinn. Sie ist insofern eine christliche Partei, als sie erklart, auf der Basis christlicher Werte Politik zu machen. Christliche Haltungen zur Politik Christliche Auffassungen konnen sich mit sehr unterschiedlichen politischen Uberzeugungen verknupfen. Christlicher Konservatismus ist ebenso moglich wie der »religiose Sozialismus«. Die Verbindung von Politik und Religion sehen Religionsgemeinschaften wie auch einzelne Christen unterschiedlich. Manche stimmen einer Verbindung von Religion und Politik generell nicht zu. Dazu gehoren jene, die es ablehnen, sich an der Politik zu beteiligen, wie z.B. Zeugen Jehovas. Andere verweigern aus Glaubensgrunden den Wehrdienst und sind so konsequente religiose Pazifisten, wie z.B. Quaker. Kirchen und Religionsgemeinschaften treffen politische Aussagen, wenn sie sich zu gesellschaftlichen Themen au?ern, z. B. in Enzykliken (papstlichen Lehrschreiben), in Hirtenbriefen (kirchlichen Rundschreiben) und in Denkschriften. So sagen viele Christen, da? ihr Glaube an Christus den Erloser sie fur die Schwachen, die Leidenden und Elenden auf unserer Welt eintreten la?t. Ihr Einsatz fur Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit sei Ausdruck ihres Glaubens. In den Kirchen der bisherigen DDR haben sich immer wieder Christen fur diese Ziele eingesetzt. Insbesondere auf Veranstaltungen wahrend der jahrlichen Friedensdekaden im November oder auf Kirchentagen geschah dies. Den Abschlu? unserer Uberlegungen zu diesem wichtigen Problem, das die Grundsatze menschlichen Zusammenlebens beruhrt, sollen die Aussagen eines spanischen Gelehrten, Professor Ivan C. Iban, bilden: »Ich glaube erstens, da? der Staat die Auswahl der Werte, die er schutzen will, andern mu?. In seinem Bemuhen, die Gruppen, die Minderheiten usw. zu schutzen, hat er den Schutz des Wichtigsten vergessen: den Schutz des einzelnen Menschen. Der einzelne mu? geschutzt werden, nicht die Gruppe. Und zweitens meine ich, da? jedes Handeln eines Staatsburgers, da? niemand anderem schadet, ein Recht ist.« Befurwortet wird eine Haltung des Staates, »den neuen und den traditionellen Religionen denselben Rechtsstatus zu gewahren.« | |
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